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herr pr�sident, sie kommen mir vor wie ein ungezogener knabe, der in der weltgeschichte umherirrt und schreit, er sei sehr gef�hrlich. in seinem hirn bedingen sich die vorstellung einer atombombe (die er gerne h�tte) und die steinigung einer frau. wer frauen verachtet, ben�tigt offenbar auch ein mittel, um allen menschen zu drohen. und sie verraten uns nicht einmal, auf welchem basar sie die omin�se bombe gekauft haben. wozu auch? wer nicht blind ist, denkt an die freie marktwirtschaft � wo man alles kaufen kann.
aber glauben sie im ernst, herr ahmadineschad, die usa f�rchten sie? trotz ihres verbalen antiimperialismus biedern sie sich der amerikanischen gro�macht an � als klassenprimus im nahen osten. im irak haben sie sich als vermittler aufgedr�ngt. zugegeben, ihre d�steren gehilfen haben hierbei mit bombenattentaten ein wenig nachgeholfen. auch in afghanistan wollen sie mit dabei sein, �um eine dauerhafte friedliche l�sung� zu erk�mpfen. auf kosten eines volkes, das seit jahrzehnten gegen verschiedene usurpatoren k�mpft. zu hause behandeln sie die afghanischen fl�chtlinge als menschen zweiter klasse. f�r ihre kinder gilt nicht die allgemeine schulpflicht � um nur ein beispiel zu nennen. bilden sie sich ein, herr pr�sident, israel habe angst vor ihnen? unl�ngst hat der mossadchef in einem interview erkl�rt: dieser pr�sident mobilisiert bei uns die massen. mit ihren tiraden erweisen sie israel einen gefallen und lenken von seiner rigorosen besatzungspolitik ab. nota bene: ihre revolutionsgarden tragen bis heute die israelische handfeuerwaffe uzi. das aber hindert sie nicht daran, diverse terrorgruppen in der arabischen welt gro�z�gig zu unterst�tzen. dort sind sie auch beliebter als in teheran, wo die lebensmittelpreise rasend steigen. zittert etwa die siemens ag vor einem herrn ahmadineschad? sie verkauft doch atomtechnologie an die islamische republik, auf chinesischen schiffen, unter ghanaischen flaggen. �berhaupt dieses europa, das in einem fort von menschenrechten plappert und alles verkauft. pl�tzlich entdecken viele, der minikontinent sei christlich. zu einem zeitpunkt, da papst benedikt XVI., wie vor ihm schon johannes paul II., dar�ber klagt, da� europa seine christlichen wurzeln verleugne und ignoriere. eine frau schavan, die schon 2006 mit ihrem pathologischen eifer gegen das kopftuch einen bann brach. ist sie nicht eine gabe gottes f�r sie und ihre propagandamaschinerie? und das votum der liberalen schweiz f�r ein minarettverbot. haben sie es nicht mit jubel vernommen? ich bin sicher, herr pr�sident, da� sie den ersten europ�ischen politiker, der den islam verbietet, mit der verdienstmedaille ihrer republik auszeichnen w�rden. derweil weiten sie ihren terror aus. vor einigen wochen wurde in teheran ein revolutionstribunal eingerichtet � eigens f�r die f�nf millionen auslandsiraner. auch au�erhalb der grenzen soll klarheit herrschen. im lande haben sie ja schon wort gehalten, herr pr�sident, �die presse von antiislamischen elementen zu s�ubern�. seit juni 2009 sind mehr als 20 zeitungen verboten worden. noch nie war die zensur so allm�chtig. sie mu� ja auch vielf�ltig sein. 18 millionen iraner haben zugang zum weltweiten netz, 41 millionen besitzen ein mobiltelefon. ein �rgernis f�r ihre herrschaft. doch gelobt seien die firmen nokia siemens networks, rohde & schwarz und andere, die mit modernster �berwachungs- und sicherheitstechnik ihnen, herr pr�sident, die kontrolle erm�glichen � mit hermesb�rgschaften des deutschen staates. wirtschaftlich sind sie, herr ahmadineschad, f�r das land eine gei�el. erst k�rzlich und nach vielen mahnungen wachten sie auf und planen nun, die subventionen zu streichen. f�r benzin, elektrizit�t, telefon, transportmittel, gas, brot, zucker, mehl, reis, milch, fleisch. sie kosten die staatskasse 80 milliarden euro im jahr. ihre anh�nger freilich werden von dieser ma�nahme nicht betroffen sein. sie kaufen bei eigenen genossenschaften f�r revolutionsgardisten, milizen und alle, die gute beziehungen zur regierung haben. leidtragend ist der mittelstand, der ohnehin im aussterben liegt. w�hrend eine kleine parasitenschicht dank dubiosen h�ndlert�tigkeiten f�r ihre regierung t�glich reicher wird. doch der pr�sident hat einen anderen ehrgeiz. er verk�ndet mit viel get�se, binnen der n�chsten drei jahre 50 000 koranschulen aufzubauen, w�hrend arbeitslosigkeit und inflation in zweistelligen zahlen gemessen werden. �ber vier millionen menschen sind rauschgifts�chtig. auf einigen stra�en teherans verkauft man heroin billiger als eine schachtel marlboro. noch nie gab es so viel prostitution wie jetzt. und wer etwas auf sich h�lt (und guten kontakt zu dem heer der regierungsbeamten hat), geht nicht in ein iranisches bordell � er fliegt nach dubai oder qatar. dennoch � unsere frauen haben sie nie besiegt, herr pr�sident. trotz kopftuch und sonderrepressalien erobern sie t�glich mehr gesellschaftliche macht. 65 prozent aller studierenden sind frauen. allein in teheran gibt es mehr als 100 galerien f�r malerei und fotografie � die meisten werden von frauen geleitet. ihrer fantasie, geschmeidigkeit und widerstandskraft ist ein herr ahmadineschad nicht gewachsen. selbst in ihren eigenen reihen w�chst der widerstand. wiederholt haben abgeordnete ihnen vorgeworfen, sie setzten sich �ber gesetze hinweg und handelten selbstherrlich. wann schaffen sie das parlament ab, um dann uneingeschr�nkt zu herrschen? bei ihrem ersten wahlsieg haben sie verk�ndet: �ich bin die zweite revolution.� das fanal f�r einen schleichenden putsch. schon jetzt haben ihre revolutionsgarden alle ministerien und wichtigen �mter in der hand. wollen sie, herr ahmadineschad, die islamische republik abschaffen � zugunsten einer islamischen herrschaft? sch�men sie sich nicht, herr pr�sident, vor der j�dischen gemeinde irans? was glauben sie, welche gef�hle sie in diesen menschen ausl�sen mit ihren tiraden gegen israel? sie m�ssen sich alle als geisel f�hlen, bis sie als �agenten des zionismus� enttarnt werden. seit 3000 jahren sind juden in iran ans�ssig. die gemeinde unterh�lt synagogen (allein in teheran 20), koschere schlachtereien, schulen und ein eigenes krankenhaus in der hauptstadt � patienten und belegschaft sind �berwiegend muslime. unter ihrer herrschaft wurden die repressalien gegen die religionsgemeinschaft der bahais sch�rfer. sie werden festgenommen, der �spionage f�r israel� sowie der �propaganda gegen die islamische republik� bezichtigt und zu langj�hrigen gef�ngnisstrafen verurteilt. kein einziger namhafter schriftsteller, k�nstler, regisseur, der auf ihrer seite steht. die gef�ngnisse sind voller kleriker, die sich auf den koran berufen und ihre republik �eine verschw�rung gegen gott und die gl�ubigen� nennen. erinnern sie sich an die demonstrationen gegen ihre wiederwahl? haben sie nicht gezittert, herr ahmadineschad, als verzweifelte menschen aufs dach gestiegen sind und allahu akbar gerufen haben? sie haben gott zu hilfe gerufen. im selben atemzug riefen sie: �tod der diktatur�. oder glauben sie, herr pr�sident, auch gott zittere vor ihnen? nun soll die 43-j�hrige sakineh mohammadi aschtiani gesteinigt werden � wegen ehebruch. sie wird wohl nicht das letzte opfer der islamischen republik sein. den pr�sidenten k�mmert das wenig, wie ihn �berhaupt das menschliche leid kaum ber�hrt. denn er verk�ndet beinah t�glich, er glaube an das j�ngste gericht als letzte instanz. ich hingegen glaube an die geschichte. sie wird eines tages �ber diesen pr�sidenten ein urteil sprechen. sollte ich den tag erleben, hoffe ich, die kraft zu haben, dann f�r eine amnestie zu pl�dieren. Erschienen in der ZEIT, No. 39, am 23. September 2010 |